EU-Parlamentarier warnen vor mangelnder Kontrolle bei EU-Klimaausgaben

30. Juli 20

Mit einer deutlichen Mehrheit hat das EU-Parlament den Ratsbeschuss über den mehrjährigen Haushalt (MFR) sowie für den Wiederaufbauplan der EU abgelehnt. In einer Aussprache nannten die Europaabgeordneten den Kompromiss der Staats- und Regierungschefs zu wenig ambitioniert und monierten die Kürzungen an klimarelevanten Geldtöpfen.

Mehrere grüne Europaabgeordnete machten bereits im Vorfeld der Debatte ihrer Enttäuschung Luft: Die Einigung der Staats- und Regierungschefs sei eine „Abkehr vom Green Deal“, schrieb der Deutsche Michael Bloss. „Die Europäische Union muss ihr Förderprogramm für CO2-freien Stahl zusammenstreichen, das Programm für Zukunftsinvestitionen ist um 30,3 Milliarden auf nun 5,6 Milliarden Euro gekürzt worden. Der Fonds zur Unterstützung von Kohleregionen schnurrt von 40 Milliarden auf 10 Milliarden Euro zusammen“, kritisierte Bloss.

In einer am Mittwoch von den Fraktionsspitzen verfassten Beschließung des EU-Parlaments heißt es unter anderem: „Wir glauben, dass die vorgeschlagenen Kürzungen an Programmen für den Übergang kohleabhängiger Regionen der Agenda des Green Deal zuwiderlaufen“. Damit ist vor allem der Just Transition Fund (JTF) gemeint, welchen die Kommission im Rahmen der Corona-Hilfen von 7,5 auf 40 Milliarden Euro hatte aufstocken wollen. Im Rahmen der Verhandlungen der Regierungschefs wurde er aber wieder auf 17,5 Milliarden gestutzt.

Positiv beurteilten viele Abgeordnete immerhin die Zusage des Rates, 30 Prozent des Haushaltes und Wiederaufbaufonds für Klima-Ausgaben zu reservieren. Das EU-Parlament setzt sich für einen Anteil von mindestens 25 Prozent plus zehn Prozent für Biodiversität ein. Demnach könnten in den kommenden sieben Jahren bis zu 547,2 Milliarden Euro für Investitionen bereit stehen, die zur Erreichung der EU-Klimaziele beitragen sollen. Doch selbst das würde nicht reichen: Die Kommission selbst geht von mindestens 1,46 Billionen Euro aus, die jedes Jahr investiert werden müssten, um das derzeitige Klimaziel für 2030 zu erreichen. Allerdings ist unklar, ob sich die 30 Prozent auf den EU-Haushalt und das Wiederaufbauprogramm zusammen beziehen, oder ob der erforderliche Anteil nur von einem der beiden Instrumente gedeckt werden könnte.

Auch den Mangel an Vorgaben für den Erhalt der EU-Hilfen sehen viele Abgeordneten kritisch. So hatte Polen, das einzige EU-Land, das sich noch nicht zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050 bekannt hat, beim EU-Rat durchgesetzt, dass es zumindest noch Anspruch auf 50 Prozent der Gelder aus dem Just Transition Fonds hätte. Für den umweltpolitischen Sprecher der EVP-Fraktion, Peter Liese, ist das nicht hinnehmbar: „Warum sollte ein Land Geld für seinen Kohleausstieg erhalten, wenn es nicht das Ziel der Klimaneutralität akzeptiert?“

Die deutsche Sozialdemokratin Delara Burkhardt sieht im Vorschlag für den Wiederaufbaufonds eine Stolperfalle: Zwar ist der Klimaschutz in der sogenannten „Recovery and Resilience Facility“ (RRF), die laut Ratsbeschuss mit 672,5 Milliarden Euro einen Großteil des Programmes einnehmen soll, verankert. Allerdings nennt der Anhang des Enwurfs sieben Prioritäten, welche die Mitgliedsstaaten unterschiedlich gewichten können. Dazu gehören Investitionen, die „effektiv zur grünen und digitalen Transformation beitragen“. Burkhardt befürchtet, dass die Mitgliedsstaaten „die Kombination der Kriterien-Erfüllung so wählen, dass sie gar keine ökologischen Bedingungen erfüllen müssten. Das ist vor allem dann möglich, wenn sie stattdessen voll auf die digitale Transformation setzen.“

Zudem fordert der grüne Abgeordnete Rasmus Andresen, dass EU-Parlament und EU-Rechnungshof ein Vetorecht bei der Zulassung der nationalen Investitionspläneerhalten. In der Vergangenheit hatte der Rechnungshof die Überprüfungsmethoden der EU-Kommission bereits mehrmals angeprangert. In einer Stellungnahme von Anfang Juli stellten die Finanzaufseher fest, dass die bisher getätigten Klima-Ausgaben der EU überschätzt worden waren, während negative Auswirkungen von Ausgaben, beispielsweise in der Landwirtschaft, nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Auch im bisherigen Vorschlag für den Just Transition Fonds sei „die Verbindung zwischen Leistung und Finanzierung relativ schwach“. Es drohe damit „ein erhebliches Risiko, dass der JTF nicht dazu beiträgt, die starke Abhängigkeit einiger Regionen von kohlenstoffintensiven Aktivitäten zu beenden.“

Der Aufbaufonds sei ein "historischer Schritt", aber langfristige EU-Prioritäten wie der Grüne Deal und die Digitale Agenda seien gefährdet, so die Abgeordneten. Es sei ein positiver Schritt für den Wiederaufbau, aber langfristig unzureichend. In dem Entschließungstext, der als Mandat für die bevorstehenden Verhandlungen über die künftige Finanzierung und Sanierung der EU dient, begrüßt das EU-Parlament die Annahme des Aufbaufonds durch die Staats- und Regierungschefs der EU, wie es im Mai vorgeschlagen hatte, und bezeichnet ihn als „historischen Schritt für die EU". Die Abgeordneten bedauern jedoch die „massive Kürzung der Zuschüsse" und fordern eine volle demokratische Beteiligung des EU-Parlaments an dem Aufbauinstrument, das „den gewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments keine formelle Rolle“ zuweist.

Bezüglich des langfristigen EU-Haushalts missbilligen die Abgeordneten die Kürzungen bei den zukunftsorientierten Programmen und sind der Ansicht, dass diese Kürzungen „die Grundlagen einer nachhaltigen und robusten Erholung untergraben werden". Den Leitprogrammen der EU für Klimaschutz, digitalen Wandel, Gesundheit, Jugend, Kultur, Forschung oder Grenzmanagement droht, dass sie 2021 erheblich weniger Mittel erhalten als noch 2020. Die Abgeordneten weisen außerdem darauf hin, „dass der EU-Haushalt insgesamt ab 2024 unter dem Niveau von 2020 liegen wird, was die Verpflichtungen und Prioritäten der EU gefährdet“.

Das Europäische Parlament akzeptiert daher die politische Einigung des Europäischen Rates über den langfristigen EU-Haushalt 2021-2027 in seiner jetzigen Form nicht und wird „keine vollendeten Tatsachen absegnen". Die Abgeordneten sind bereit, ihre „Zustimmung zum MFR (Mehrjähriger Finanzrahmen) zu verweigern, bis bei den bevorstehenden Verhandlungen zwischen EU-Parlament und Rat eine zufriedenstellende Einigung erzielt wird“, vorzugsweise bis spätestens Ende Oktober, damit die EU-Programme ab 2021 reibungslos anlaufen können.


euractiv News

Pressemeldung EP