Europäische Chemiewende kommt voran

22. Okt 20

Die EU-Kommission hat in der Vorwoche ihren Plan für den Umbau der Chemieindustrie vorgestellt. Gefährliche Substanzen werden in Zukunft schneller, effizienter und breiter in Produkten verboten. Chemikalien sollen in Zukunft schon im Designprozess sicher und nachhaltig sein. Dazu wird die EU-Kommission Kriterien für den Designprozess von Produkten entwickeln, die für alle Chemikalien auf dem europäischen Markt gelten sollen. In Zukunft soll für das Chemikalienmanagement, ähnlich der Abfallhierarchie, eine giftfreie Hierarchie gelten. Die Priorität liegt in der Vermeidung gefährlicher Stoffe in Produkten, außer es ist unverzichtbar. Als zweiten Schritt soll die Exposition von Mensch und Umwelt gegenüber diesen gefährlichen Substanzen minimiert werden. Der dritte und letzte Teil der Hierarchie ist Beseitigung von Chemikalien aus der Umwelt oder Abfallprodukten. Zu diesem Zweck sollen zahlreiche europäische Gesetze überarbeitet werden, darunter die REACH-Verordnung, um die Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe zu verbessern. Zudem soll es Anreize für die Industrie geben, in nachhaltige und zukunftsfeste Technologien zu investieren.

„Die Strategie markiert den Einstieg in den Ausstieg aus giftigen Chemikalien in unserem Alltag. Verbraucher*innen und Umwelt werden in Zukunft besser vor giftigen Substanzen geschützt. Das ist ein guter Tag für die Gesundheit der Bürger*innen, die Chemieindustrie und auch für uns Grüne“, lobte der grüne Abgeordnete im EU-Parlament Sven Giegold. „Die heutige Veröffentlichung der Strategie zeigt: Der Druck aus dem Parlament und Zivilgesellschaft hat gewirkt. Die EU-Kommission hat die große Mehrheit der von uns geforderten Maßnahmen übernommen. Damit liegt nach fast 20 Jahren heute erstmals wieder ein umfassendes Papier zur Chemiepolitik vor, das das Zeug hat den Weg zu einer giftfreien Umwelt zu ebnen. Diese Strategie ist die einmalige Chance, die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige, wettbewerbsfähige und schadstofffreie europäische Chemieindustrie zu schaffen. Wir brauchen eine europäische Chemiewende, die den Schutz unserer Gesundheit und der Natur mit einer zukunftsorientierten Industriepolitik verbindet.“

 

Starke Blaupause für Umbau der Chemieindustrie

Als „Blaupause den Umbau der Chemieindustrie im Sinne des Green Deal“ und „Industrie- und Verbraucherschutzpolitik im besten Sinne“ bezeichnete Giegold den Plan der EU-Kommission, die somit ihr „ohnehin führendes Chemikalienrecht weiter stärke“. Saubere Chemie „Made in Europe“ mache die europäische Industrie zukunftsfest und sichere 1,2 Millionen Arbeitsplätze. Nur eine nachhaltige Industrie könne wettbewerbsfähig bleiben. „Verschläft die deutsche und europäische Chemieindustrie den ökologischen Wandel, wird ihr das gleiche Schicksal widerfahren wie anderen Schlüsseltechnologien vor ihr“, warnt Giegold.

Besonders erfreulich sei allerdings, dass Hormongifte bald aus vielen Produkten verschwinden werden. „Ich bin froh, dass Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sein öffentliches Versprechen an mich gehalten hat und Umwelthormone genauso wie krebserregende Stoffe bald weitgehend aus alltäglichen Produkten drängen wird“, zeigt sich Giedolg erleichtert. Dennoch fügt Giegold seiner Beurteilung auch eine kritische Anmerkung hinzu: „Leider macht die Kommission keine konkreten Zusagen zur Einschränkung von Nanomaterialien. Hier muss nachgebessert werden.“ Wichtig sei außerdem auch ein Marktüberwachungsprogramm. „Unser Binnenmarkt ist groß genug, wir können selbstbewusst hohe Standards zum Schutz von Gesundheit und Natur durchsetzen. Doch diese hohen Standards dürfen nicht untergraben werden, wenn importierte Produkte Gesetze nicht einhalten. Dazu benötigen wir ein effektives europäisches Marktüberwachungsprogramm. Die besten Gesetze sind sinnlos, wenn EU-Hersteller sie einhalten, andere aber nicht.“

Nun müssten die Ankündigungen in der Strategie konsequent umgesetzt werden, fordert Giegold. „Im nächsten Schritt muss die Kommission schnell das Gesetzgebungsverfahren einleiten und dem sich schon abzeichnenden Druck einiger großer Chemieverbände widerstehen, auf der Zielgerade die Maßnahmen noch zu verwässern. Wir stehen bereit, gemeinsam mit der Kommission, dem Rat, der Zivilgesellschaft und der Industrie die Chemiewende umzusetzen. Heute wurde dafür ein großer Schritt in die richtige Richtung getan“, so Giegold. Giegold und seine Kollegin Jutta Paulus hatten den grünen Aktionsplan für die europäische Chemiewende vorgestellt und mit dem zuständigen Umweltkommissar, Vertreter*innen von Industrie, Zivilgesellschaft und Bürger*innen in einer großen Online-Sitzung diskutiert.

 

Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien

Beschluss des Europaparlaments

Grüner Aktionsplan für die Chemiewende von Jutta Paulus und Sven Giegold