Europäisches Patentamt könnte wieder Patente auf Leben erteilen

3. Juli 20

Das Moratorium für Patente auf Pflanzen und Tiere wurde 2019 wegen eines Rechtstreits über die Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ beschlossen. Am 30. Juni tagte der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamts (EPA). Nicht auf der Tagesordnung stand eine umstrittene Entscheidung des Präsidenten des Patentamts: António Campinos hatte das Moratorium für die Erteilung von Patenten auf Pflanzen und Tiere Anfang Juni aufgehoben, noch bevor alle entscheidenden Fragen geklärt waren – beispielsweise die Definition von „im Wesentlichen biologischen“ Verfahren.

Scharfe Kritik an dieser Entscheidung übt Katherine Dolan, Expertin für Saatgutpolitik bei ARCHE NOAH und Vorstandsmitglied des europäischen Bündnisses „No Patents on Seeds!“ „Die Botschaft ist beim EPA nicht angekommen. Also muss die Politik die Regeln des Patentsystems in die Hände nehmen“, so Dolan. „Das Patentamt missbraucht die fehlende Klarheit, um Monopole auf die Grundlagen unserer Ernährung zu schaffen und damit Geld zu verdienen. Jetzt droht eine neue Welle von Patenten auf Pflanzen und Tiere!“ Dolan ist überzeugt: „Die Europäer*nnen wollen nicht, dass wichtige Kulturpflanzen patentierbar werden und dass die Vielfalt eingeschränkt wird.“

Bei der Verwaltungsratssitzung war Österreich durch das österreichische Patentamt vertreten. ARCHE NOAH, Gesellschaft zur Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt, begrüßt klare Äußerungen aus Österreich gegen Patente auf Leben, sowohl im Regierungsprogramm als auch neulich von der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler. „Es ist Zeit, die Worte in Taten umzusetzen“, so Dolan. ARCHE NOAH fordert Präzisierungen auf europäischer Ebene und im österreichischen Patentrecht, um herkömmliche Pflanzen und Tiere eindeutig von der Patentierbarkeit auszuschließen.

Das EPA finanziert sich über die Prüfung und Erteilung von Patenten. Ein Beispiel ist ein Patent auf Salat, der auch bei höheren Temperaturen angebaut werden kann (EP2966992). Diese Eigenschaft beruht auf einer zufälligen Mutation im Erbgut und erleichtert die Anpassung an die Klimakrise – allerdings nur für den Patentinhaber, die niederländische Saatgutfirma Rijk Zwaan Zaadteelt. „Wenn eine Firma exklusiv jene Eigenschaft in Händen hat, die den Anbau von Salat bei höheren Temperaturen ermöglicht, wird diese Firma in Zukunft bestimmen, welchen Salat wir anbauen und essen können und zu welchem Preis“, warnt Dolan. Wegen der mangelnden Rechtsklarheit hat das EPA den Spielraum, Patente auf natürliche Prozesse bzw. Zufallsmutationen zu erteilen.

Derzeit wird ein eigener Patentschutz für Österreich oft nicht beantragt, etwa beim Klimakrise-Salat-Patent. Mit der bevorstehenden Einführung des europäischen Einheitspatents werden aber alle Patente auf Pflanzen automatisch auch in Österreich gelten. „Wegen der Einführung des europäischen Einheitspatents brauchen wir mehr denn je ein klares Verbot von Patenten auf Leben“, meint Katherine Dolan abschließend. 

Hintergrund zum Klimakrise-Salat-Patent

Zur Petition „Vielfalt säen, Gesundheit ernten“