Europaweit gültiger ökologischer Mindeststandard gescheitert

22. Okt 20

In den Verhandlungen über die milliardenschwere Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) unter den EU-Agrarminister*innen und im Europäischen Parlament am Mittwoch blieben Anforderungen für Umwelt und Natur weitgehend unberücksichtigt. „Das ist ein dunkler Tag für die Umwelt und die Zukunft Europas. Trotz des European Green Deals, der Biodiversitäts- und der Farm-to-Fork-Strategie der EU werden bei der Verteilung von knapp 400 Milliarden Euro Agrarhilfen der Umwelt- und Biodiversitätsschutz weitgehend ignoriert“, kritisiert Gerald Pfiffinger, Geschäftsführer des Umweltdachverbandes. „Dabei ist die intensive Landwirtschaft in Europa größter Treiber für den zunehmenden Biodiversitätsverlust, wie aus dem am Montag veröffentlichten Bericht der Europäischen Umweltagentur EEA klar hervorgeht. Die getroffenen GAP-Beschlüsse, die auf österreichischer Seite von ÖVP, SPÖ, FPÖ und NEOS unterstützt wurden, sind eine klare Absage an die zentrale Forderung von Umweltorganisationen nach einem europaweit gültigen ökologischen Mindeststandard für wenigstens 5 Prozent der bewirtschafteten Flächen als Konditionalität bei den Direktzahlungen. Allein dieses Mindestmaß an Naturschutzflächen, etwa in Form von Blühflächen auf Ackerböden und bunten Wiesen, hätte die europäische Kulturlandschaft teilweise wieder zum Erblühen bringen können und eine wichtige Chance für die Artenvielfalt und unsere Lebensgrundlagen bedeutet.“ Auch Gábor Wichmann, Geschäftsführer von BirdLife Österreich, bedauert die Entscheidung: „Fehlende Umwelt-Rahmenbedingungen bei den Direktzahlungen der Ersten Säule für die ganze EU sind ein klarer Wettbewerbsnachteil für Österreich mit seinem traditionell starken Agrarumweltprogramm in der Zweiten Säule der GAP. Warum die gestrigen Abstimmungen nun von manchen als Erfolg für Österreich und für die Natur gefeiert werden, ist nicht nachvollziehbar.“

 

Notwendige nationale Maßnahmen

„Umso stärker liegt die Verantwortung nun bei den Nationalstaaten, mit ambitionierten Umweltprogrammen den Wandel zu einer ökologischen und biodiversitätsschonenden Landwirtschaft voranzutreiben, um insgesamt mindestens 10 Prozent der Flächen für die Natur bereitzustellen. Auch Österreich muss sein nationales GAP-Förderprogramm stärker an den Erfordernissen des Biodiversitäts- und Klimaschutzes ausrichten“, fordert Pfiffinger.

Umweltdachverband

Birdlife

 

Öko-Institut kritisiert fehlenden Klimaschutz in Agrarpolitik der EU

Laut einer im Auftrag der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch erstellte Studie des Öko-Instituts (Freiburg) steht die bis 2028 gültige, kürzlich am Dienstag verabschiedete Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) im Widerspruch zu den neuen EU-Klimazielen. Demgemäß würden auch künftig jährlich 35 Milliarden Euro an Direktzahlungen fließen, ohne dass klimaschädliche Emissionen verringert würden. Diese Ausstoße stammen vor allem aus industrieller Tierhaltung, Überdüngung und klimaschädlicher Moornutzung. Somit würden die Agrarsubventionen trotz der geplanten ehrgeizigeren Klimaziele der EU keinerlei Beitrag zur Emissionsverringerung leisten. Die EU-Kommission will die EU-Klimaziele für 2030 von 40 auf mindestens 55 Prozent Reduktion verbessern, das Europäische Parlament sogar auf 60 Prozent.

 

Ausgaben müssten an verbindliche Umwelt- und Klimastandards geknüpft werden

Zudem berechnet die Studie, welche Wirkungen verschiedene Nachbesserungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hätten. Sie zeigt, dass die EU dazu beitragen könnte, bis zu ein Fünftel der Emissionen aus der Landwirtschaft einzusparen. Dazu müsste ein großer Teil der Ausgaben für die GAP durch sogenannte Eco-Schemes an verbindliche höhere Umwelt- und Klimastandards geknüpft werden. Die wichtigsten Maßnahmen für das Klima sind demnach, die Rinder wieder auf der Weide zu halten, Moore klimaschonend zu nutzen und die Überdüngung zu verringern. Die Maßnahmen würden auch den Tier- und Artenschutz in der Landwirtschaft fördern. Wie viel Geld in Eco-Schemes fließen soll, ist unter den Minister*innen noch umstritten.

„Die verpflichtenden Bedingungen für die Direktzahlungen - die sogenannte Konditionalität - werden nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu spürbar geringeren Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft führen", erklärt Margarethe Scheffler vom Öko-Institut, Mitautorin der Studie. „Das liegt vor allem daran, dass die größte landwirtschaftliche Emissionsquelle, also die Tierhaltung, von der Konditionalität gar nicht erfasst werden soll."

Germanwatch