Konservative fordern den Aufschub oder Abbruch des Grünen Deals

2. April 20

Die EU solle indes alle Kräfte auf die Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen verwenden. Damit steht der Grüne Deal der EU-Kommission wegen der Coronakrise unter Druck. Die Grünen sind alarmiert, heißt es in einem Artikel des Tagesspiegel Background vergangene Woche.

Letzten Donnerstag hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einer wegen der Coronapandemie angesetzten Sondersitzung des EU-Parlaments an die Solidarität der Mitgliedsstaaten untereinander appelliert: „Die Geschichte schaut auf uns“, sagte sie. „Lassen Sie uns gemeinsam das Richtige tun, mit einem großen Herzen, nicht mit 27 kleinen.“ Die Mahnung war insbesondere für die Teilnehmer*innen des EU-Krisengipfels am Abend gedacht.

Der Zusammenhalt der EU wird derzeit auf die Probe gestellt – nicht nur, was die Etablierung eines gemeinsamen EU-Rettungsschirms angeht. Die Coronakrise entfernt auch laut des Onlinemagazins die Beschleuniger und die Bremser des Klimaschutzes weiter voneinander. Letztere nutzen die Krise zunehmend als Hebel, um die EU-Kommission zum Rückzug von ihrem zentralen Klimaschutzprogramm, dem europäischen Grünen Deal zu bewegen.

Deutlich wird das unter anderem in einem Brief der EU-kritischen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EZR), der beispielsweise die AfD angehört sowie die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit, an Kommissionspräsidentin von der Leyen. Die Grünen im EU-Parlament haben den Vorstoß der EZR am gestrigen Donnerstag heftig kritisiert. In dem EZR-Schreiben heißt es: „Jetzt ist es an der Zeit, den Pragmatismus in den Vordergrund zu stellen – und neue Gesetze im Rahmen von Initiativen wie dem European Green Deal aufzuschieben“. Die Fraktion fordert stattdessen, den Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 „mit größerer Flexibilität bei den Ausgaben“ neu auszurichten.

Das polnische Klimaministerium kündigte seinerseits an, Klimaschutz auf der nationalen Agenda nach hinten zu schieben. Seine Begründung: „Infolge dieser Krise werden unsere Volkswirtschaften schwächer, die Unternehmen werden nicht über genügend Mittel verfügen, um zu investieren. Die Fertigstellung einiger wichtiger Energieprojekte kann sich verzögern oder sogar einstellen“, sagte ein Ministeriumssprecher der Nachrichtenagentur Reuters. Zuvor hatte Janusz Kowalski, der stellvertretende Minister für Staatsvermögen, das Ausscheiden Polens aus dem EU-Emissionshandelssystem (EHS) gefordert. Auch der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš nimmt die Coronakrise zum Anlass, an den ambitionierten Klimaschutzprojekten der EU-Kommission zu sägen. „Europa sollte den Green Deal jetzt vergessen und sich stattdessen auf das Coronavirus fokussieren“, sagte Babiš kürzlich vor Journalist*innen.

Michael Bloss, EU-Abgeordneter für die Grünen, ist angesichts der Angriffe auf die Klimaschutzvorhaben der Union empört. Das EZR-Schreiben kommentierte er im Gespräch mit Tagesspiegel Background so: „Die Europäische Union taumelt am Abgrund und die EZR wollen uns wirtschaftlich den finalen Stoß geben.“ Der Grüne Deal sei der Stabilitätsanker, der gerade jetzt gebraucht werde, weil er die EU stärke.

Bloss forderte, dass die EU-Kommission bei der Zusage eines Rettungsschirms sowie weiterer möglicher Investitionshilfen grüne Kriterien berücksichtigt. „Wenn jetzt die EU Kommission und die Mitgliedstaaten mit der Gießkanne Geld verteilen, muss sichergestellt werden, dass daraus etwas Nachhaltiges wächst. (…) Neue Batteriefabriken oder die europäische Energiewende könnten Zehntausende Jobs in der EU schaffen, wenn wir wollen,“ sagte Bloss.

Doch Konsensfindung in der EU ist mühsam. Das zeigte sich erneut am Donnerstagabend während des Corona-Krisengipfels per Videokonferenz. Bei der Zusammenkunft wollten die Staats- und Regierungschef*innen eigentlich alle Kräfte für den Kampf gegen die Pandemie und ihre Folgen bündeln. Doch bis in den späten Abend dominierte ein Streit über die Unterstützung finanzschwacher Länder. Italiens Regierungschef Giuseppe Conte weigere sich, die vorbereitete Abschlusserklärung zu akzeptieren, hieß es aus italienischen Regierungskreisen.

 

Tagesspiegel-Background: Konservative sägen am Green Deal