Nachhaltigkeitsfolgen des EU-Mercosur-Abkommens

16. April 21

Die Europäische Ombudsfrau Emily O'Reilly übt nach der Beschwerde von NGOs gegen das Mercosur-Abkommens angesichts des Fehlens einer Folgenabschätzung Kritik an der Europäischen Kommission. Demnach hätte die EU-Kommission eine Folgenabschätzung durchführen müssen, bevor sie 2019 ein Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay vereinbarte, so O’Reilly. Mit dem Handelsabkommen strebt die EU den Ausbau ihrer Handelsbeziehungen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay an. Die Beschwerdestelle der EU ging der Klage von fünf NGOs nach und kam zu dem Ergebnis, dass die EU-Kommission weder eine abschließende Folgenabschätzung noch die letzte Konsultationsrunde mit Interessenvertreter*innen in den Verhandlungen berücksichtigte.

Auch die Nachhaltigkeits-Folgenabschätzung (SIA) der Europäischen Kommission nahm Bezug auf die möglichen wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Auswirkungen des Handels infolge des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Ländern (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay). Darüber hinaus veröffentlichte die EU-Kommission am 29. März ein Positionspapier mit Kommentaren zu den wichtigsten Ergebnissen und Empfehlungen des SIA-Berichts. Der SIA gilt als ein unabhängiger Bericht der London School of Economics, der Beiträge interessierter Interessengruppen berücksichtigt und ein hohes Maß an Transparenz gewährleistet. Der Entwurf des Abschlussberichts wurde am 8. Juli 2020 veröffentlicht.

Laut der SIA werde sich das Abkommen zwischen der EU und dem Mercosur „positiv auf die Volkswirtschaften beider Blöcke auswirken und kann zur Erholung von der durch die aktuelle Pandemie verursachten Wirtschaftskrise beitragen“. Die Bedeutung dieses Abkommens gehe über den wirtschaftlichen Nutzen hinaus: „Es wird eine kritische Partnerschaft zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken auf der Grundlage gemeinsamer Werte festigen“, so SIA.

Wirtschaftswissenschaftler*innen widersprechen SIA-Bericht

Dem gegenüber steht die kritische Einschätzung von 197 Wirtschaftswissenschaftler*innen. „Wir, die unterzeichnenden Ökonom*innen, wollen zu einer kritischen Bewertung des EU-Mercosur-Assoziierungsabkommens beitragen, das derzeit von der EU und ihren Mitgliedstaaten sowie den Mercosur-Ländern zur Ratifizierung vorbereitet wird. Nach Ansicht der Europäischen Kommission wird das Abkommen sowohl für die Länder der EU als auch des Mercosur wirtschaftliche Vorteile bringen, da es ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Gang setze. (…) Mit diesem Offenen Brief wollen wir die Öffentlichkeit jedoch darauf hinweisen, dass die zur Berechnung dieser angeblichen Gewinne verwendeten Wirtschaftsmodelle nicht für die Bewertung der sozialen und ökologischen Auswirkungen des EU-Mercosur-Abkommens geeignet sind“, heißt es in dem Schreiben.

Demnach gebe es andere Studien zum Abkommen, die sich mit den Umweltkosten des weltweiten Güterverkehrs, den Auswirkungen auf die Entwaldung und den Auswirkungen auf Kleinbauern und -bäuerinnen befassen, und die andere Wirtschaftsmodelle verwenden. „Diese alternativen Folgenabschätzungen kämen zu stark abweichenden Ergebnissen und zeigen auf, wie das EU-Mercosur-Abkommen die Erfüllung der Pariser Klimaziele behindern sowie schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Auswirkungen auf Arbeitnehmer*innen und Landwirt*innen – insbesondere auf Kleinbauern und -bäuerinnen – sowohl in den Mercosur- als auch in den EU-Staaten haben würde“, so die Ökonom*innen in ihrem Schreiben.

Arbeiterkammer Wien kritisiert EU-Mercosur-Abkommen

Auch die Arbeiterkammer Wien kritisiert das EU-Mercosur-Abkommen. Trotz aller Versprechen der EU-Kommission bleiben die Bestimmungen im Abkommen zu den Arbeitsrechten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zahnlos, hielt die Arbeiterkammer im März in einem Factsheet fest. Darin führt sie ins Treffen, dass die EU neben verarbeiteten Gütern wie Autos, Maschinen auch Chemikalien in die Mercosur-Staaten führe, unter denen sich auch in der EU-Landwirtschaft aufgrund seiner Gefahren für Mensch und Umwelt nicht zugelassene Pestizide befinden. Aus den Mercosur-Staaten importiert die EU überwiegend Agrarprodukte wie Fleisch, Soja oder Kaffee und Rohstoffe (z.B. Eisenerz, Erdöl und Kupfer).

„Die zukünftige Marktöffnung könnte die regionalen wirtschaftlichen Strukturen in den Mercosur-Staaten massiv bedrohen. Diese sind der Konkurrenz aus der EU nicht gewachsen“, warnt die Arbeiterkammer. „Arbeitnehmer*innen arbeiten teilweise unter schlimmsten Bedingungen. In der Landwirtschaft kommen sogar sklavenähnliche Arbeitsbedingungen vor. Gleichzeitig droht eine beschleunigte Vernichtung des Regenwaldes für landwirtschaftliche Produkte, die für den Export in die EU bestimmt sind. Alles Gründe, um das Abkommen abzulehnen.“


Arbeiterkammer Wien

top agrar online

Seattle to Brussels Network (Offener Brief zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des EU-Mercosur-Abkommens)

Netzwerk Gerechter Welthandel (Pressemitteilung)