Umwelt-NGOs: EU-Maßnahmen gegen Antibiotika in der Tierhaltung „unzureichend“

Die Europäische Kommission hat die Bekämpfung der Antibiotikaresistenz zu einer Priorität erklärt. Sie hat sich in der Farm-to-Fork-Strategie das Ziel gesetzt, den Verkauf von Antibiotika für Nutztiere in der EU bis 2030 zu halbieren.

„Das ist ein gutes Ziel, ein ehrgeiziges Ziel – wir würden uns wünschen, es zu erreichen“, erklärte Reinhild Benning, Referentin für Landwirtschaft und Ernährung bei der Umweltaktion Deutschland. „Aber so einfach ist es nicht.“ Benning verwies dabei auf jüngste Studien, die bis 2030 einen Anstieg des Antibiotikaeinsatzes in Europa um fast sieben Prozent prognostizieren. Dieser Trend sei auf den verstärkten Einsatz in der Viehzucht zurückzuführen.

Allerdings würden die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten unzureichende Maßnahmen setzen, um den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung bis 2030 zu halbieren, kritisieren Aktivist:innen. Ohne entsprechende Maßnahmen könnten demzufolge auch Menschen durch Antibiotikaresistenzen gefährdet sein. Der übermäßige Einsatz von Antibiotika in den letzten Jahren – sowohl beim Menschen als auch in der Tiermedizin – habe dazu geführt, dass einige Bakterien eine antimikrobielle Resistenz (AMR) entwickelt haben, dass also Antibiotika bei Infektionen immer häufiger unwirksam sind. Die Pandemie „hat erneut gezeigt, dass die fortschreitende Entwicklung von Antibiotikaresistenzen ein immenses Risiko darstellt“, sagte Sascha Müller-Kränner, Direktor der Deutschen Umwelthilfe, kürzlich auf einer Veranstaltung.

Indes hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) als ein Instrument im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen bei Tieren eine Liste antimikrobieller Mittel vorgelegt, welche für den menschlichen Gebrauch reserviert werden sollen. Die EU-Kommission hat sich hinter die Empfehlungen der Agentur gestellt.

Umweltaktion Deutschland: EMA-Empfehlungen gingen nicht weit genug

Zwar begrüßte Benning den Schritt zur Erstellung einer solchen Referenzliste, sagte jedoch, die Empfehlungen der EMA gingen nicht weit genug. „Bei dieser Liste vermisse ich einen humanmedizinischen und einen umweltmedizinischen Blickwinkel“, sagte sie. Demnach sei die Auflistung aus ihrer Sicht nicht im Sinne des sogenannten „One Health“-Ansatzes erstellt worden, also der Idee, die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt auf ganzheitliche Weise anzugehen. Wie auch mehrere EU-Abgeordnete forderte Benning, die Liste der antimikrobiellen Mittel um diejenigen zu erweitern, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen, jedoch von der EMA nicht übernommen wurden.

Demgegenüber erklärte Roxane Feller, Generalsekretärin von AnimalhealthEurope, einer Organisation, welche die Tiermedizinindustrie vertritt: „Wir halten die politischen Maßnahmen der EU zur Verringerung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung für sehr ehrgeizig.“ Dabei wies sie darauf hin, dass ein kürzlich veröffentlichter Bericht der EU-Arzneimittelagentur (EMA) bereits einen Gesamtrückgang der Verkäufe von Veterinärantibiotika um 42 Prozent in dem Zeitraum von 2011 bis 2020 ausgemacht habe.

Ihre Organisation werde „die wissenschaftliche Empfehlung der EMA“ akzeptieren, wenn es um Antibiotika geht, die für den menschlichen Gebrauch vorbehalten werden sollen. Nach Einschätzung Fellers stehe diese „im Einklang mit dem One-Health-Ansatz der EU zur Bewältigung der Herausforderung der Antibiotikaresistenz.“
 

EURACITV: EU-Maßnahmen für weniger Antibiotika in der Tierhaltung „unzureichend“