Umweltschutzorganisation fordert Mehrweg-Ausbau

30. Juli 20

Im Zuge des langfristigen EU-Haushalts, auf den sich die EU-Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat vergangene Woche geeinigt haben, ist eine Abgabe auf nicht recycelte Kunststoffabfälle vorgesehen. Diese sogenannte Plastiksteuer soll die Eigenmittel der EU erhöhen. Demnach müssen die Mitgliedstaaten ab dem 1. Januar 2021 für jedes Kilogramm Verpackungsabfall aus Kunststoff, das nicht recycelt wird, 80 Cent an die EU zahlen. Mit dieser Maßnahme erhofft sich die EU-Kommission eine Erhöhung der Recyclingquote. Sie geht davon aus, dass die Regierungen die Abgabe an die Industrie weitergeben. Demnach soll der neue EU-Haushalt zu den Zielen der EU-Plastikstrategie beitragen. Gleichzeitig wird die Abgabe als neue Eigenmittelquelle Geld in den EU-Haushalt bringen – die EU-Kommission rechnet mit durchschnittlich sieben Milliarden Euro pro Jahr bis 2027.

Zahlreiche Umweltverbände, die sich für Abfallvermeidung und eine saubere Kreislaufwirtschaft einsetzen, stehen einer Abgabe auf Plastik grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings haben sie wiederholt auch darauf aufmerksam gemacht, dass eine Steuer bereits bei der Produktion von Plastik ansetzen müsse, um es unattraktiver zu machen. Mit der derzeit geplanten Form der Steuer wende sich die EU-Kommission gegen das Prinzip der Abfallhierarchie, da sie Recycling über Vermeidung und Wiederverwendung stelle, gab die Rethink Plastic Alliance als Reaktion auf den Vorschlag der EU-Kommission zu bedenken.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßte zwar die Entscheidung, forderte aber auch eine Besteuerung bereits bei der Produktion sowie eine höhere Abgabe pro Kilogramm und die Besteuerung einzelner problematischer Artikel. Indem sie umweltschädliche Plastikverpackungen besteuere, setze die EU endlich um, was die Bundesregierung bereits lange hätte tun müssen, erklärte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. „Schade ist nur, dass sie dabei viel zu zaghaft vorgeht. Wir brauchen einen Preis, der wirklich ein Umsteuern bewirkt“, fordert Resch. „Und wir brauchen Vorschriften, die vor allem die Vermüllung von Natur und Städten durch unnötige Wegwerfprodukte beendet, seien es Einweg-Plastikflaschen, Plastiktüten oder Einweg-Coffee-to-go-Becher.“ Um die Attraktivität von recyceltem Kunststoff zu erhöhen, verlangte die DUH außerdem Vorgaben für einen Mindesteinsatz von recyceltem Material in Produkten.

Greenpeace sieht in der Abgabe einen ersten wichtigen Schritt, um die Kosten der Plastikverschmutzung für die Umwelt zu beziffern. Allerdings fordert die Umweltschutzorganisation zur Plastikreduktion eine Reihe von Begleitmaßnahmen wie die Förderung von Mehrweg, ein Verbot von Müllexporten sowie eine Abgabe auf alle Einwegkunststoffe. „Österreich verursacht überdurchschnittlich viel Plastikmüll, recycelt aber nur einen Bruchteil davon. Das geht auf Kosten der Umwelt und kommt uns alle jetzt teuer zu stehen“, kritisiert Lisa Panhuber, Konsumexpertin bei Greenpeace Österreich. „Denn die Plastiksteuer für Konzerne zahlen am Ende die Konsumentinnen und Konsumenten. Politik und Unternehmen müssen jetzt endlich Verantwortung übernehmen und Mehrweg in Bereichen wie Take-Away, Transport und bei Getränken stark ausbauen. So schützen wir die Natur, und die Konsumentinnen und Konsumenten profitieren.“

In Anbetracht der geplanten EU-weiten Plastiksteuer weist Greenpeace auf die überdurchschnittlich hohe Menge Kunststoffmüll pro Kopf in Österreich im EU-Vergleich hin. Österreichweit fallen jährlich laut EU-Statistik pro Kopf 42 Kilogramm Plastikmüll an. Das sind 24 Prozent mehr als der europäische Durchschnitt. Lediglich drei EU-Mitgliedsstaaten - Italien, Belgien und Luxemburg - produzieren noch mehr Plastikmüll pro Kopf als Österreich. Auch die Recyclingbilanz in Bezug auf Plastikmüll fällt nicht zufriedenstellend aus; so wird hierzulande nur etwa ein Drittel des Plastikmülls wiederverwertet. Die geplante Plastiksteuer von 80 Cent pro Kilogramm nicht recycelten Plastik-Verpackungsmülls wird Österreich damit ab 2021 rund 160 Millionen Euro im Jahr kosten.

EU-weit liegt Österreich beim Recycling auf dem 22. Rang von 28 Mitgliedsstaaten, womit sich Österreich innerhalb von zehn Jahren um 13 Plätze verschlechtert hat. Noch immer werden hierzulande 67 Prozent der Plastikverpackungen nach meist einmaligem Gebrauch verbrannt. Ein großer Teil der weggeworfenen Plastikverpackungen besteht aus sogenannten Verbundstoffen – also aus mindestens zwei verschiedenen Werkstoffen, die vollflächig miteinander verbunden sind und deshalb nicht oder nur sehr schwer recycelt werden können. Seit 1995 sinkt der Marktanteil an Mehrwegflaschen in Österreich rapide: Lag er damals noch bei rund 80 Prozent, erreichte er 2019 nur noch 19 Prozent.

Jährlich werden im Inland 50 Prozent mehr Plastikflaschen konsumiert als im EU-Durchschnitt. Nur 34 Prozent der weggeworfenen PET-Flaschen werden wieder zu Lebensmittelverpackungen recycelt. „Österreich stellt sich gerne als Vorreiter in Sachen Recycling dar. Ein genauer Blick auf die Zahlen zeigt jedoch, dass die Entwicklung bei Kunststoff blamabel ist“, sagt Panhuber. „Die niedrige Recycling-Quote zeugt auch von den Grenzen der Technologie: Nur indem wir vermeiden und wiederverwenden, können wir das Plastikproblem in den Griff kriegen. Darum gehört auch die Mehrwegflasche zurück ins Supermarktregal.“

Mehrweg bei Getränkeverpackungen sei der beste und umweltfreundlichste Weg aus der Plastikkrise, so Greenpeace. Mehrwegflaschen werden zurückgenommen, gewaschen und bis zu 40-Mal wiederbefüllt. Bei Einweg-Plastikflaschen werden hingegen nur knapp 28 Prozent überhaupt wieder zu Flaschen recycelt, der Rest wird größtenteils verbrannt oder zu Folien und Fasern verarbeitet.

Factsheet zur Plastik-Analyse

Pressemeldung Greenpeace zu Plastiksteuer

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