Viel Rot, wenig Grün: Biodiversitätsrat präsentiert Barometer zur Biodiversitätspolitik in Österreich

17. Dez 20

Auch wenn derzeit COVID-19 im Vordergrund stehen muss, hat die Krise des Biodiversitätsverlustes nicht an Dynamik verloren: Die Vielfalt der Arten und Ökosysteme nimmt weltweit und insbesondere auch in Österreich weiterhin drastisch ab, eine Trendumkehr ist noch in weiter Ferne. Vor diesem Hintergrund hat der Österreichische Biodiversitätsrat die Pläne der Regierung daraufhin untersucht, ob sie das Artensterben und den Verlust der biologischen Vielfalt aufhalten können.

Das Ergebnis: „Die bisherigen Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus“, fasst es Alice Vadrot, Politikwissenschafterin an der Universität Wien und Mitglied des Leitungsteams des Biodiversitätsrates, zusammen. Mit dem „Barometer Biodiversitätspolitik in Österreich“, das am 4. Dezember 2020 im Rahmen des jährlichen Forums des Netzwerks Biodiversität präsentiert wurde, wird dieses Fazit klar sichtbar: Viel Rot, wenig Orange und nur vereinzeltes Grün.

„Zwar weisen einzelne Maßnahmen der Regierung in die richtige Richtung – beispielsweise die geplante ökosoziale Steuerreform oder der neue Biodiversitätsfonds“, erklärt Franz Essl, ebenfalls Mitglied des Leitungsteams des Biodiversitätsrates, „doch die Anstrengungen müssen sich hier noch vervielfachen!“ So ist der Biodiversitätsfonds bisher nur 5 Millionen Euro schwer; aus Sicht des Biodiversitätsrates ist jedoch mindestens eine Milliarde Euro jährlich nötig, um das Funktionieren der Ökosysteme zu sichern und den Verlust an Biodiversität zu bremsen, „und auch das ist auf Basis einiger Studien sehr knapp bemessen“, erklärt der Ökologe an der Universität Wien.

Dennoch gehe es bei diesen Punkten zumindest in die richtige Richtung: „Bei anderen Themen – insbesondere beim Flächenverbrauch oder der ungebrochenen Bevorzugung einer möglichst großstrukturierten und förderungsorientierten Landwirtschaft – kann aber von einer Trendumkehr keine Rede sein“, betont Christian Sturmbauer von der Universität Graz. Noch immer werden in Österreich täglich 13 Hektar Fläche versiegelt – „und eine national koordinierte Raumplanung ist nicht in Sicht“, so Sturmbauer. Auch im Bereich Agrarpolitik tue sich insgesamt noch viel zu wenig, obwohl das Ziel von zehn Prozent Biodiversitätsförderungsflächen in die nationale Biodiversitätsstrategie wahrscheinlich aufgenommen werden wird.

Dringenden Handlungsbedarf sehen die Expert*innen in Bezug auf Wissenschaft und Bildung  – und ein nationales Biodiversitätsforschungs-Programm nach dem Vorbild des österreichischen Klima- und Energiefonds sei nicht in Sicht.

Immerhin als Orange mit Aufwärtstrend bewertet das Barometer die Pläne für eine sozial-ökologische Steuerreform. Zwar konzentriere sich diese stärker auf den Klimaschutz als auf den Schutz der Biodiversität: „Dennoch, in diesem Bereich bewegt sich einiges – auch da braucht es aber noch mehr Anstrengung“, so Politikwissenschafterin Vadrot.

Generell sei Biodiversität in der Politik stärker in den Fokus gerückt, die Bundesregierung hat erstmals ein ambitioniertes eigenes Kapitel “Artenvielfalt erhalten – Natur schützen” im Regierungsprogramm verankert und im Rahmen des Biodiversitätsdialoges 2030 beteiligen sich Akteur*innen aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft, um die Ziele der Regierung in konkrete Maßnahmen zu übersetzen. Wichtig seien hier aber klare und verbindliche Ziele und Transparenz in der Umsetzung, so Vadrot. „Zudem fordert der Biodiversitätsrat, dass die Auswirkungen von Investitionen und Gesetzen auf die Biodiversität überprüft werden – beim Klima-Check ist dies ja bereits gelungen“, sagt die Politikwissenschafterin.

Netzwerk Biodiversität Österreich